Haben Sie schon mal auf einem Dampfschiff selbstorganisiert gelernt?

Ein Text von Jenny Laschkolnig, Bereichsleitung EB und Studiengangsleitung, Akademie für Erwachsenenbildung (aeB Schweiz)

SOL in der Erwachsenenbildung– alles andere als eine Selbstverständlichkeit…
Regelmässig treffen sich 6 erfahrene, diplomierte Erwachsenenbildner*innen zur gemeinsamen kollegialen Beratung. Im Rahmen einer solchen Intervisionssitzung beantworteten sie Interviewfragen zu Selbstorganisiertem Lernen (SOL) in der Erwachsenenbildung und stellten Erfahrungen sowie ihre Erkenntnisse der letzten 20 Jahre zur Verfügung und zur gemeinsamen Diskussion.

Aus diesem Gespräch haben sich 5 relevante SOL-Thesen herauskristallisiert:

1. SOL beinhaltet Eigenverantwortung, Koordination und Organisation
Die Sensibilisierung und Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernen haben in der Andragogik einen anderen Fokus als in der Pädagogik. Oft waren die Personen, die nun als Erwachsene eine Aus- und/ oder Weiterbildung besuchen, lange nicht mehr im formalen «Lernmodus». Sie sehen sich nun konfrontiert mit zu erwerbenden Handlungskompetenzen, dem hohen Lern-Workload, mit evtl. unbekannten Lernarrangements, digitalen Settings und auch mit herausfordernden – sowohl eigenen wie auch diejenigen ihrer Organisationen – Lernansprüchen. So müssen sie ihr Lernen neu planen, regulieren, sich mit der eigenen Lernkonzeption auseinandersetzen, evtl. Lernstrategien anpassen und sich immer wieder selbst motivieren. Dies alles neben und mit der beruflichen Tätigkeit sowie dem Familienleben zu leisten, ist für Studierende vielschichtig, komplex und fordernd.

2. Lernen ist stark geprägt von individuellen Vorstellungen, Prägungen und Erwartungen seitens Personen, Organisationen und Gesellschaft
Erwachsene Lernende wollen den Nutzen, Sinn und Mehrwert eines «Lernpakets» erkennen. Lernen, Reflexion, Transferüberlegungen und Umsetzungen in die Praxis brauchen oft Überwindung und werden häufig als anstrengend und zäh erlebt. SOL passiert selten selbst und ständig; der Schritt in die nächste Lern-, bzw. Wachstumszone wird kritisch hinterfragt (und ab und zu auch geschickt umgangen). Veränderungsprozesse bedingen eine Bereitschaft, Energie, Fähigkeiten, Möglichkeiten, Erfahrungen und den Willen dazu. Für diese Prozesse brauchen die meisten eine reflexive, wertschätzende Hinführung, Anleitung und Struktur und auch Bedingungen, die eine motivierende Lernatmosphäre dafür schaffen, und die sie in ihrem selbstorganisierten Lernen unterstützen. Zudem lernt jede Person einzigartig mit persönlichen Merkmalen, Emotionen, Motiven und Präferenzen, – sei es allein oder in Gruppenkonstellationen. Die Lust am Lernen ist nicht selbstverständlich!

3. SOL braucht Rahmenbedingungen, Disziplin, Zeit und Raum
In unserer beschleunigten und vermehrt digitalisierten Arbeits- und Berufswelt in einem VUKA Umfeld sind wir täglich mit zunehmenden Anforderungen, Stresssituationen, Herausforderungen und zunehmendem Druck konfrontiert. Sich dabei konsequent Lerninseln freizuschaufeln oder auch Räume dafür einzufordern – eben das eigene Lernen zu regulieren -, ist nicht einfach. Hier sind alle beteiligten Stakeholder gefordert: vom Individuum, über die arbeitgebende Instanz und von der Bildungsorganisation, zu übergeordneten Bildungsgremien bis hin zur Gesellschaft.

4. Resonanz ist wichtig und weiterführend für das SOL
Ein vollständiger Lernprozess braucht mehr als nur Wissen und Erfahrung. Die ständige Reflexion mit dem eigenen Handeln im Lernen und in der Praxis und das Neuexplorieren, Weiterentwickeln, Optimieren und Sichern der Qualität bedingt eine Resonanzfläche im Gegenüber – im Du und Wir. Dies passiert beim Vergleichen von ähnlichen Lernsituationen und Problemlösestrategien mit Kolleg*innen, im Austausch, in einem eingeforderten Feed-Aspekt (Feedback, Feedup und Feedforward) und auch in der erneuten interessierten Vertiefung und Schärfung mit vielseitigen Fachimpulsen und Inspirationen, und lebt schliesslich mit gegenseitigem Wirken und Bewirken.

5. Neue Lernformen, digitale Medien und Methoden können eine unglaubliche Ressource für das SOL sein
Man kann nicht nicht lernen – Lernen geschieht; häufig unbewusst und informell. Gelingend und weiterführend für alle Beteiligten können hierbei gerade neue Lernformen sein – solche, die das SOL unterstützen und mit kooperativen und kollaborativen Settings kombiniert sind. Der jederzeit mögliche Zugriff auf digitale Ressourcen (auch mit einem kritischen Blick) mit vielfältigen Zugängen in Bezug auf Lernstil, -typ, -tempi, -verhalten, -niveau usw. kann «gluschtig» machen, innovieren, inspirieren und das eigene Lernen anregen, verändern und weiterentwickeln.

Diese Inhalte erarbeiten und behandeln wir u. a. im Studiengang CAS Lerngruppen leiten in der Erwachsenenbildung (CAS LLE). Er ist Teil der Studiengänge DHF, EBHF, MAS A&PE, MAS BM und wir führen ihn in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Luzern (PHLU) durch.